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MomBoard: E-ink display for a parent with amnesia

Jan Miksovsky hat für seine seit einer OP unter Amnesie leidende Mutter aus E-Ink-Display und Web-Technologien ein Device – das „MomBoard“ – gebaut, auf das er und seine Geschwister Nach­richten für sie schicken/hinterlegen können. Eine sehr schöne Arbeit oder wie Jim Nielsen den nachahmenswerten Ethos in The Beauty of Building auf den Punkt bringt:

Just building cool shit for people you love on the ethos of an open platform.

Ich hatte hier schon mal kurz erwähnt, wie ich das iPhone meiner Mutter umkonfiguriert habe, nach­dem sie durch Krankheit, Gehirn-OP und Chemo ihre Fähigkeit zu lesen größtenteils verloren hat. Das hat mich natürlich hieran erinnert.

Technologie kann und sollte schwierige Dinge leichter machen. Technik­affine und Entwickler sind hier noch im Vorteil. Die vielbe­schworenen KI-Tools werden diese Möglich­keiten auch für weniger Versierte zugänglich machen.

Lebenszeit

Tim Urban hat 2014 und 2015 zwei viel beachtete Blogposts auf Wait but why veröffentlicht, in denen es um die Länge des eigenen Lebens geht:

  • In Your Life in Weeks illustriert er, in einer überschaubaren Darstellung, wie kurz unser Leben runtergebrochen in einzelne Wochen ist und wirkt.
  • In The Tail End hat er diesen Blickwinkel dann auf sein eigenes Leben angewandt: Damals 34 Jahre alt und optimistisch von einer Lebenserwartung von 90 ausgehend, hielt er fest, dass ihm also noch rund 60 Winter, 60 Super Bowls und 700 Pizzen1 bevorstehen.

Die wichtigste Beobachtung ist aber diese: Wenn er davon ausgeht, dass er als Erwachsener seine Eltern nur für rund 10 Tage im Jahr sieht, dann sähe er sie – würden seine Eltern leben bis er 60 ist – nur noch rund 300 Tage. Was nur 3% aller Zeit, die er in seinem Leben mit ihnen verbracht, umfasst. That’s it.

Für ihn ergeben sich daraus drei Handlungs­empfehlungen, nicht nur im Bezug auf Eltern, sondern loved ones generell:

  1. Living in the same place as the people you love matters. I probably have 10X the time left with the people who live in my city as I do with the people who live somewhere else.
  2. Priorities matter. Your remaining face time with any person depends largely on where that person falls on your list of life priorities. Make sure this list is set by you—not by unconscious inertia.
  3. Quality time matters. If you’re in your last 10% of time with someone you love, keep that fact in the front of your mind when you’re with them and treat that time as what it actually is: precious.

Während mir mit unserer gerade 14 Monate alten Tochter noch die 95% bevorstehen, die wir gemeinsam verbringen werden, sah das bei meiner verstorbenen Mutter anders aus: Wir wussten seit Anfang 2022, dass wir nur ein paar Monate, vielleicht noch ein gemeinsames Jahr haben würden.

Weshalb ich so viel Zeit mit ihr verbracht habe wie möglich. Als die Diagnose klar war, habe ich mich um eine Wohnung bemüht, die nur fünf Minuten Fußweg von uns entfernt war, so dass ich jeden Tag bei ihr vorbeischauen konnte. War sie eine Woche im Krankenhaus, war ich sechs Tage davon da.

Meine Mutter hatte zwischen ihrer plötzlichen Erkrankung und ihrem Tod noch 382 Tage2, von denen, wie ich Anfang 2023 festhielt, „es mehr gute und schöne als schlechte Tage für sie und uns [gab].“ Von diesen 382 Tagen war ich rund 350 bei ihr. Oft auch mehrfach am Tag, meistens vor und nach der Arbeit.

Mehr Tage hätten wir, nach Tim Urbans obiger Rechnung eh nicht gehabt. Von daher bin ich froh, dass wir das Maximum rausgeholt haben.

  1. Er geht von einer Pizza pro Monat aus, was meiner Meinung nach viel zu wenig – geradezu Selbstgeißelung – ist. []
  2. Toll, so Day Counter… []

Mama

Meine Mutter ich während ihrer Erkrankung im Mai 2022, beide in FC-Trikots.

Heute vor einem Jahr ist meine Mutter, Karin Linowski-Grund, nach plötzlicher Erkrankung und zwölf Monate andauerndem Kampf im Alter von nur 66 Jahren verstorben. Meine Mutter war der lebenslustigste, lustigste und liebste Mensch, den man sich nur vorstellen kann. Betrat sie einen Raum voller Fremder, kann man sich sicher sein, dass sie mit neuen Freunden herausging.

Im vergangenen Jahr haben mir einige, mir zuvor teils unbekannte Menschen dankenswerterweise berichtet, was meine Mutter ihnen bedeutet hat. Wie ihre jungen Kolleginnen zu ihr aufgeschaut haben, als sie ein von Männern dominiertes Feld aufgewirbelt und Karriere gemacht hat. Für wen sie sich beruflich und privat eingesetzt hat, ohne je selbst etwas einzufordern.

Zu sehen mit welcher Klarheit, mit welchem Kampfesgeist und mit wie viel Humor man selbst in Anbetracht einer aussichtslosen Situation weitermachen kann, war beeindruckend und inspirierend. Sie selbst hat gesagt, dass sie nur noch ihr „kleines Mädchen“ sehen wolle, denn kurz nach ihrer Erkrankung konnten wir ihr eröffnen, dass sie Oma wird. Dafür dass Ariane und sie sich noch kennenlernen durften, bin ich unfassbar dankbar. Dafür dass ihr einander nur so kurz hattet, so sauer.

Ich vermisse dich, Muttje. Grüß Oma & Opa und alle anderen von mir. Ich bin mir sicher, Jörg, Jupp, Sascha und du haben zusammen wieder eine hervorragende Zeit.

Meine Mutter ist an einem Glioblastom erkrankt, einem aggressiv wachsenden Hirntumor, der bis heute als unzureichend therapierbar gilt. 5-7 Personen je 100.000 Einwohner erkranken hieran. Die Deutsche Hirntumorhilfe setzt sich dafür ein, dass die Krankheit Hirntumor so schnell wie möglich heilbar wird. Unterstützen wir sie dabei.

2022

Was für ein Jahr [hier wahlweise ein bis drei1 Ausrufezeichen oder Auslassungspunkte hinzufügen, je nach eigener Lesart des vergangenen Jahres.] In der Casa de Grund war es jedenfalls in allerlei Hinsicht ein aufregendes, kräftezehrendes, furchtbares und wunderschönes Jahr.

Nachdem meine Mutter kurz vor Weihnachten 2021 zusammengebrochen war (im ersten Posting von 2022 kurz angeklungen), startete das vergangene Jahr – dessen Start sich so anfühlt, als läge er Jahre hinter mir – mit einer desillusionierenden Diagnose und setzte sich mit dem Fortschreiten ihrer Erkrankung fort. Dass sie aber das ganze Jahr über bei uns war und dieser Tage immer noch ist, grenzt nicht nur an ein Wunder, sondern zeugt inbesondere von ihrem Kampfesgeist, auch nachdem sie – natürlich… – über die Feiertage erstmalig noch eine Covid-Infektion mitgenommen hat.2 Dennoch: Es gab mehr gute und schöne als schlechte Tage für sie und uns.

Dazu beigetragen hat natürlich unser kleiner Grund zur (Vor-)Freude: Unsere Tochter Ariane, die wir im Oktober willkommen heißen durften. Abgedroschen, aber wahr: Kinder verändern alles. Zumindest wenn „alles“ bedeutet, dass man Freizeit gegen Freude tauscht. Denn man will eh jede freie Sekunde mit dem neuen, kleinen Menschen verbringen.

Hat mir im Privaten meine erst weniger, dann immer mehr schwangere Frau den Rücken gestärkt, haben das Beruflich meine Kolleg*innen getan. Denn auch wenn ich familienbedingt öfters nicht verfügbar war, können wir drüben bei Hypercode auf ein überaus erfolgreiches Jahr zurückblicken: Wir haben mit unseren Kunden zahlreiche spannende Projekte konzipieren, gestalten und entwickeln dürfen, die größtenteils dieses Jahr das Licht der Öffentlichkeit erblicken werden (was richtig gut wird). Im April haben wir zudem unser neues Büro – Hyperspace Two – bezogen, im Juli pünktlich zum Dreijährigen unser Family & Friends Sommerfest gefeiert.

Da ich aus oben genannten Gründen (höhö) sehr viel Zeit in Krankenhäusern (mit-)verbracht3 habe, hatte ich entsprechend wenig Zeit für Sport4 und Medien. Die im letzten Jahr bereits ausgefallene Kinostatistik lässt sich daher der Vollständigkeit halber auf einen Satz runterbrechen: Ich war 2022 ganze zwei mal im Kino5 für insgesamt 22,30 Euro. Im Streaming-Service Couch-CoOp verlief es nicht anders: Von insgesamt 420 Bewegtbild­stunden in 2021 auf 240 in 2022, davon 37 TV-Shows (2021: 45) und zusätzliche zu den zwei Kinofilmen 18 weitere (2021: 27).

Das Bloggen lief trotz allem gut: 149 Posts im Vergleich zu 184 im Vorjahr, hunderte Webmentions per brid.gy. Mit 685 Tweets waren es nach 16 Jahren Twitter-Nutzung fast 250 weniger als 2021 und so wenige wie noch nie nach dem Start in 2006/07. Der Negativtrend wird sich unter Musk nur fortführen lassen, weshalb ihr mich dieser Tage oft und gerne auf Mastodon findet.

Und genau auf Mastodon hat @revolvermann@chaos.social dieser Tage mal gefragt, wo man eigentlich seinen Overall-Happiness-Index auf einer Skala von 0 bis 10 sähe. Ich habe für 2022 mit 7 geantwortet und dann: „I guess despite the missing 3 happiness points a 7 out of 10 rating is pretty great in happiness terms. Let’s hope it will be 8 in 2023 for both us and our loved ones! :)“

Und so ist es. Auf ein hoffentlich hervorragendes 2023 für uns alle!

  1. Nein, niemals drei! []
  2. Du sollst dich doch nicht immer melden, Mamm! []
  3. Es ist kein Wettbewerb, aber insgesamt sieben. Namentlich Euskirchen, Bonn, Leverkusen, Uniklinik Köln (diverse Kliniken/Abteilungen), Frechen, Köln-Hohenlind und Bergisch Gladbach. []
  4. Meine Peloton-Nutzungsstatistiken sind genau so runter gegangen, wie der Kurs meiner Peloton-Aktien. []
  5. »Thor: Love and Thunder« & »Jurassic World Dominion«, jeweils im Euromax in Kerpen. []

Ariane Gretchen Grund

Grund zur Freude: Am 22.10.2022 um 19:38 Uhr wurde unsere Tochter Ariane Gretchen Grund geboren. Der Mama und ihr geht es gut, wir (und vor allem der Papa 😉) könnten gerade nicht glücklicher sein. Wir freuen uns darauf, fortan mit ihr zusammen die Welt zu entdecken! 🎉

Oma

Vor einer Woche ist meine Oma, die mich aufgezogen und mehr als irgendjemand sonst dazu beigetragen hat, dass ich heute der bin, der ich bin, im Alter von 84 Jahren verstorben. Nachdem sie Anfang des Jahres schwer erkrankt ist, hat sie allen Diagnosen getrotzt und bis zum Schluss gekämpft, vor allem um Mitte des Jahres unsere Hochzeit und die Rückkehr meiner Cousine, die für ein Jahr in den USA war, mitzuerleben. Dafür, dass das geklappt hat, und für die letzten gemeinsamen Wochen und Monate, bin ich und sind wir alle sehr dankbar.

Wenn ich gleich runter zu ihr gehe, aufgeregt, weil ich ihr irgendwas neues erzählen will, und bemerke, dass sie nicht in ihrem Sessel sitzt, dämmert mir, dass sie auch nie mehr da sitzen wird. Dass ich ihr all das, was ich ihr noch erzählen wollte, nicht mehr erzählen kann. Dass sie nicht mehr mit uns zusammen essen wird. Dass sie und Kira nicht mehr gemeinsame Sache machen. Dass mir niemand mehr sagt, dass ich nur Blödsinn im Sinn hab. Dass sie nicht weiter täglich an unserem Leben teilnimmt. Und das bricht mir das Herz. Doch „so geht das immer weiter“, würde sie dann halb ernst, halb lachend sagen und sie hätte wie so oft natürlich recht. Ein letztes schelmisches „Es nützt ja alles nichts“.

Tschüss, Oma, und danke für alles! Du warst, bist und bleibst die Allerbeste. Ich vermisse dich, grüß Opa von mir!