Review

Civil War (2024)

Immer wieder gibt es fiktionale Filme, deren Bilder den Zeitgeist so über­spitzen, dass sie einen Ausblick auf Perspektivisches bieten. »Outbreak« (1995) zeigt Bilder, die uns heutzutage allzu geläufig sind. »The Siege« (1998), hierzulande »Ausnahmezustand«, zeigt nach einer Serie von Terror­anschlägen wie es zu Menschen­rechtsver­letzungen gegen arabisch­stämmige Amerikaner kommt.

»Civil War« versetzt uns nun in ein vom Bürgerkrieg entzweites Amerika, in dem ein fragwürdiger Präsident eine dritte Amtszeit bekleidet und das Militär gegen die eigenen Bürger eingesetzt hat. Ohne großes Setup begleiten wir eine Gruppe von erfahrenen Kriegs­bericht­erstattern – ergänzt um eine junge Foto­journalistin, die wie wir die Grauen des Krieges auf heimischem Boden knallhart kennenlernt. Entsprechend bildgewaltig ist das, was Alex Garland uns hier präsentiert. Immer wieder kurz unterbrochen durch die festge­haltenen, eindring­lichen Fotos unserer Protagonisten.

Still aus dem Film »Civil War« (2024). Es zeigt eine weibliche Journalistin mit einer Weste mit der Aufschrift ‘Press’ sitzt am Boden an eine Wand gelehnt und blickt aufmerksam nach links. Die Wand hinter ihr ist mit bunten Farbstreifen in Blau und Pink besprüht. Bewaffnete Soldaten in taktischer Ausrüstung und Tarnkleidung gehen an ihr vorbei und scheinen sie nicht wahrzunehmen. Die Szene fängt einen angespannten und nachdenklichen Moment ein, in dem die Ruhe der Journalistin im Kontrast zur Bewegung der Soldaten steht.

Dass wir vergleichsweise unvermittelt ins Geschehen einsteigen ist ebenso wie die Reise, auf der wir die Journalisten begleiten, eine Stärke des Films. Die blaupausenhafte Figurenkonstellation leider nicht, ebenso wenig das sich fügende Finale.

Dennoch überaus sehenswert, denn das Schlimme, und den Film so spannend machende, ist: Wir brauchen heute nicht weit weg zu schauen, um diese Fiktion Realität werden zu lassen. In der Ukraine sind die hier gesehenen Bilder von zerstörten westlichen Welten Realität. Und was wenn Trump sich nächste Woche nicht dem Votum der Wähler beugt, sollte Harris gewinnen? Oder alles verzögert? Was am Ende seiner zweiten Amtszeit? Hoffen wir, dass es Fiktion bleibt.

Rating: 4/5

Weitere Rezensionen zum Film aus der Nachbarschaft:

Guardians of the Galaxy Vol. 3 (2023)

»Guardians of the Galaxy Vol. 3« punktet abermals mit Skurrilität, Witz und Herz. Die Großartigkeit des ersten Teils bleibt natürlich unerreicht und das hier ist im positiven wie im negativen Sinne „more of the same“. Aber dennoch ein gelungener Abschluss der James-Gunn-Trilogie.  Rating: 3.5/5

Greenland (2019)

Erster Film des Jahres: »Greenland«, von dem wir uns die drölfte Fassung des immer gleichen, leichtsinnig-amüsanten Katastrophenfilms erhofft haben. Und die haben wir im letzten Drittel auch bekommen. Dass wir davor aber einen packenden Thriller über das Versagen unserer Zivilisation zu sehen bekommen würden, war dann doch eine mehr als positive Überraschung.

Bonuspunkte gibt es dafür, dass all die Hiobsbotschaften aus der aus 2020 bekannten, medialen Egoperspektive vermittelt werden: Über Bildschirme, Radiogeräte und am Ende der Welt immer noch quotengetriebene Nachrichtensendungen („Countdown to Extinction“). Und das reißt dann auch das letzte Drittel wieder raus.  Rating: 4/5

The Gentlemen (2019)

Ich habe ja bekanntlich eine große Schwäche für Guy-Ritchie-Filme, der Gangster-Geschichten immer und immer wieder neue Facetten abgewinnen kann. Diesmal indem Al-Pacino-Lookalike Hugh Grant als Boulevard-Enthüllungsjounalist dem Treiben des größten Marihuana-Produzenten Englands auf der Spur ist. Dieser wird von Qualitätsgarant Matthew McConaughey gespielt und von großartigen Figuren flankiert, so dass dem großen Drogenwirrwarr und Territoriumskonflikt nichts mehr im Wege steht. Ein typisch Guy-Ritchie-esker, großer Spaß!  Rating: 3.5/5

Joker (2019)

Wie verfilmt man die Origin-Story einer Comicfigur ohne Origin-Story? Dieses grundlegende Problem löst Todd Phillips‘ »Joker« auf famose Art und Weise. Er zeigt wie der psychisch kranke Arthur Fleck vom gebrochenen Clowns­dar­steller zum skrupellosen Mörder wird, nachdem ihm sämtlicher gesell­schaft­liche und familiäre Halt entzogen wird. Im ungerechten 80er-Jahre-Molloch Gotham City führt das sogar zu Akzeptanz und Nachahmern als er Vertreter der Oberschicht tötet.

»Joker« ist damit eine gelungene Parabel der auch gegenwärtigen gesell­schaftlichen Entzweiung, die hervorragend – wenngleich auch fast schon zu „artsy“ – verfilmt wurde und Joaquin Phoenix zu Recht einen Oscar garantiert. Dennoch verließ ich das Kino ungewohnt unschlüssig und musste erstmal für mich definieren, ob und wo hierbei aus meiner Sicht Probleme bestehen. Zum einen störe ich mich an dem gezeigten, fast schon unausweichlich erscheinen­den Zusammenhang von Krankheit und Gewalt. Zum anderen habe ich ein anderes Verständnis vom Joker, den ich vielmehr als maximal anarchistischen Terroristen verstehe, denn als psychisch krankes Opfer seiner äußeren Umstände. Heath Ledgers Joker passt daher nach wie vor besser für mich, Joaquin Phoenix‘ Joker reiht sich aber ohne Frage in die Reihe herausragender Joker-Interpretationen ein.

Rating: 3.5/5

Good Boys (2019)

Wenn Seth Rogen & Co. sich anderen Genres annehmen, ist dass gemeinhin ein Grund zur Freude. »Sausage Party« ist einer der krassesten Computer­animations­filme out there, »Long Shot« eine der lustigsten RomComs des Jahres.

Mit »Good Boys« nun also ein Kinderfilm oder ein Film über Kinder. Und das ist genau das Problem: Die Geschichte um 12 jährige Jungs vor ihrer ersten Knutschparty kann sich nicht so richtig entscheiden, in welche Richtung sie geht. Will sie kindgerecht sein oder lieber (junge) Erwachsene ansprechen? Das spiegelt zwar konsequent das Coming-of-Age-Dillema in dem sich die drei Protagonisten befinden (Spielen oder Mädchen?), hat für mich aber nicht wirklich funktioniert. Unter anderem weil »Stranger Things 3« das zuletzt als Nebenhandlung (!) so viel charmanter gemacht hat.  Rating: 2/5

Green Book (2018)

Okayish. Guter Film, aber die drei Oscars sind dann doch etwas hochgegriffen für einen so klassisch erzählten, unüberraschenden Stoff. Dass es dann sogar »Best Picture« geworden ist, sagt mehr über die Academy als über den Film. (#TeamVice)  Rating: 3/5

Toy Story 4 (2019)

Nett. Die ach-so-andere Story wird abermals von altbekannten Motiven anstelle von Neuerungen dominiert und dabei in gewohnt hervorragende Animation gehüllt. Ich freue mich immer Woody und die Gang zu sehen, aber danke, absofort reichen dann auch Rewatches der Vorgänger.  Rating: 3/5

Once Upon a Time in Hollywood (2019)

Tarantino nimmt sich in seinem neunten Film1 der Tate-Morde von 1969 an. Hervorragendes Zusammenspiel von DiCaprio und Pitt in einem einerseits typischen, andererseits untypischen Tarantino. Größte Stärke und Schwäche ist das Setting, sowie die Erwartungshaltung der Zuschauer und die Erwartungs­haltung der/des Filmemacher an sich selbst. Fazit: Meh.  Rating: 3/5

  1. Btw: Ich finde dieses „Der neunte Film von Quentin Tarantino“-Marketing unabhängig von Tarantino nach wie vor großartig. []