10 Jahre nach Spreeblicks Jamba-Kurs – Blogging 2014

Johnny Haeusler blickt zehn Jahre später auf seinen legendären Jamba-Artikel zurück, den ich damals als 19 jähriger Blogger natürlich auch brav verlinkte. Mein Beitrag ist, zusammen mit diversen Jugendsünden, zwar nicht mehr online und die damals verwendete Blog-Software gibt’s auch nicht mehr, aber hier ein Beweisfoto aus meinem persönlichen Giftschrank Offline-Archiv.

Damals bloggte ich bereits seit fast zwei Jahren – ohne so richtig in der deutschen Blogosphäre angekommen zu sein. Orientiert an US-Blogs, wie dem von Jason Kottke und einigen anderen, seitdem meist eingestellten Blogs, machte ich einfach mein Ding. Als Spreeblick dann mit besagtem Artikel auf meinem Radar auftauchte, eröffnete sich für mich eine völlig neue Web-Welt. Fortan verschlang ich jede Zeile von Johnny, entdeckte Felix Schwenzel, der mich bis heute durch fortwährendes Weitermachen von allen am längsten unterhalten hat und immer noch unterhält, wälzte Blogs!, inspizierte argh! und las schließlich Dave Winer!.

Heute sind Blogs nicht mehr das, was sie einmal waren oder hätten sein können. In unserer Facebook-, Instagram- und Twitter-Welt (neuerdings in der Reigenfolge, ja) spielen sie so gut wie keine Rolle mehr. Dass sie immer noch ihren einstigen Sinn und Zweck erfüllen, beschreit alle paar Jahre irgendjemand lautstark. Manchmal Johnny, manchmal Lobo, manchmal Anil, manchmal ich.

Fakt ist aber, dass der herbeigeschriebene zweite Frühling nie eintraf, unsere Eltern und Real-Life-Freunde nie bloggen werden. Facebook-Posts und Schnappschüsse, klar. 140 Zeichen ihretwegen. Aber das reicht dann bitte auch – ganz egal, wem’s gehört. Nur fünf Prozent der Deutsch sprechenden Onlinenutzer nutzen Blogs, diagnostiziert die ARD-ZDF-Onlinestudie jedes Jahr knallhart. Tendenz fallend.

Meiner Meinung nach gibt es dafür zwei Gründe:

  • Inhaltslosigkeit: Persönliche Inhalte, die Blogs vor allem ausgemacht haben, sind in die sozialen Netzwerke abgewandert. Heute gibt’s nur Linksammlungen auf Inhalte Dritter (Anwesende eingeschlossen) und ellenlange Textwände (Hallo!), durch die sich niemand und vor allem nicht die Generation YouTube quälen mag. Ausnahmen bestätigen die Regel.
  • Immobilität: Die übrig gebliebenen Blogger haben zwar alle ein iPhone in der Tasche, das Mobile Web haben sie trotzdem verpennt. Blogs sind ein Überbleibsel aus einer von Monitoren, Sofas und Laptops geprägten Zeit – und das sowohl inhaltlich als auch optisch. Ganz zu schweigen davon, dass es keine ordentliche Smartphone-App zum Bloggen gibt.

Um die unangenehmen Fragen kommen wir also nicht herum: Warum haben Blogs sich nicht weiterentwickelt? Wieso gibt es keine Experimente mehr? Wo bleiben die multimedialen Inhalte? Wo die „Mobile First“-Ansätze? Die schreibende Zunft ist uns da mittlerweile meilenweit voraus, siehe Snow Fall und Quartz. Selbst das Monopol auf Katzen-Content ist dahin!

Was also tun? Technisch wären bessere Smartphone-Apps und schickere Themes wünschenswert. Vielleicht sogar eine Lösung, um dem Geburtsfehler von Blogs entgegenzuwirken, dass Inhalte so schnell durchrutschen und Perlen im Archiv verstauben. Inhaltlich könnte Middling eine Lösung sein: Blogs als Platz für alles, was zu lang für Twitter und zu kurz für Medium ist.

So oder so sollte die Devise (stets) lauten: Einfach machen. Nicht nur irgendwelche News oder Posts anderer Blogs wiederkäuen, sondern selbst was produzieren. Um womöglich selbst Ziel der Links zu werden. Ich für meinen Teil werde 2015 jedenfalls genau das versuchen. Wünschen Sie mir Glück!

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16 Reaktionen

  1. Eigentlich sollte das nur ein kurzer Link werden, aber dann gab es irgendwie kein Halten mehr.

  2. Mein persönliches Highlight ist ja der Link unter dem Jamba Artikel:
    „Bongman jetzt zweigeteilt“
    Das war noch wahrer Qualitätsjournalismus im Internetz!

  3. Ein schöner Artikel und endlich mal die Kommentare an. Ansonsten viel wahres dran und dein Artikel beschreibt auch wunderbar, warum ich Blogs immer noch Facebook (habe keinen Account) oder Twitter (nicht mehr genutzt) vorziehe. Die wenigen Menschen, die wirklich noch blogggen geben sich einfach mehr Mühe.
    Und ich kann filtern. Bei allen Social-Mediadings werde ich zugespamt mit Meinungen, die mich nicht interessieren oder mit Kritik, die ich nicht eingefordert habe. Aber ich werd auch alt 🙂

    HAUPTSACHE DU WIRST IMMER WEITERBLOGGEN, denn dieser Blog ist wirklich eine der letzten Perlen!

  4. Ich kann mich nicht wirklich trennen von meinem Blog. Irgendwie habe ich dann doch immer die Muse mal was zu tippen. Vermutlich weil ich es einfach Veröffentlichen will, auch wenn es keiner ließt fühlt es ich besser an was für alle zugänglich gemacht zu haben.

    Ich kann den Artikel so unterschreiben. Man tut es letztendlich für sich.

  5. Dein Beitrag trifft den Nagel auf den Kopf! Und ich empfinde das als großen Rückschritt. Schuldig sind aber auch einige Blogger, die in Folge der Seo Mentalität mit Links geizten, weil sie Angst hatten „juice“ zu verlieren ohne zu wissen, ob es sowas überhaupt gibt. Dadurch ist viel Relevanz verloren gegangen. Die Blogosphäre hat sich singularisiert und Blogs haben alleingestellt nun mal keine Relevanz. Egal wie groß die Reichweite auch ist. Die Trackbacks haben Einfluss geschaffen. Heute machen sich viele lieber abhängig von Interaktionsraten und Likes, dessen Gültigkeit sie nicht imstande zu prüfen sind. Es ist traurig. Danke für den Artikel, er spricht mir aus der Seele!

  6. +1

  7. Ich war nie einer von den Alphabloggern, in meiner kleinen Filmbloggernische fühle ich mich aber sehr wohl und könnte mir auch kein anderes Medium vorstellen, um meine Gedanken zu teilen. Die WordPress-App finde ich eigentlich ganz okay für mobiles Teilhaben und zum Lesen reicht mir Feedly. Kommentare und Artikel schreibe ich dann doch lieber am Rechner. Bin halt so. Und finde das auch gut. Würde mich dennoch über eine Weiterentwicklung freuen, denn Facebook, Instagram und Co. können für mich die Lücke so mancher Blogs nicht füllen.

  8. ich stelle bei jedem medium irgendwann einen „durchgespielt“-effekt fest, was mich angeht. nicht nur, was output im netz angeht, sondern bei allem – konsolenspiele, „zeitungen“, gadgets. aber eben dann doch auch solche sachen wie blogs oder twitter oder facebook. jedes ding hat seine eigene form, seinen eigenen kontext, seine eigene struktur, mit der spielt, in der man spielt, in der man sich selbst reinkuschelt und klarkommt oder eben nicht – und nach einer weile ist dann alles gesagt, dann bringt weiterveröffentlichen nichts neues mehr. dann zieh‘ ich weiter. das spannende ist doch immer auch das spielen *mit* dem ding, dem medium, dem kontext.

    vielleicht ist das aber auch nur so ’n ego-ding, keine ahnung. man kann ja auch bei facebook „gut & interessant veröffentlichen“, oder auf instagram oder ello oder sonstwo – und ich „habe“ ja noch blog und twitter-account und meine playstation und ein zeitschriften-abo und ein fahrrad, ich finde nur all diese dinge echt nicht mehr .. reizvoll, seit (von mir, in meinem blog) irgendwie „alles“ gesagt ist. inklusive anführungszeichen.

  9. Blogs sind nicht tot, sie haben heute nur eine andere Funktion. Blogs dienen als Lagerstätte für längere Texte oder in sich geschlossene Projekte. Das Private, da gebe ich dir recht, ist dort nur noch selten zu finden.

    Aber es gibt – im Gegensatz zu 2004 – auch mittlerweile einige Blogger, die von dieser Tätigkeit leben können. Das allein ist mir Beweis genug, dass Blogs nach wie vor eine Funktion haben.

    (Ich würde das alles noch mehr ausführen, würde ich gerade nicht das Handy zum Tippen nutzen. ;))

  10. Nur nicht resignieren! Wenn selbst die Großeltern anfangen zu bloggen, kann es mit dem zweiten Frühling noch etwas werden. Mit Inhalt und neuen Anwendungen, die dann die Enkel liefern müssen.

  11. danke und ja. aber. *heute* gibt´s „nur“€œ noch linksammlungen auf inhalte dritter? war nie anders, bzw. das was ich im netz, in vor-google-zeiten eigentlich vor allem vom netz kannte. und schätzte. das gibt´s halt immer noch und vielleicht auch wieder mehr. ich halte das nach wie vor für eine wahnsinnig wichtige aufgabe von blogs (gerade kottke macht das exemplarisch vor) das trüffelsuchen und hinweisen und linken.
    was aber auch stimmt, ist dass blogs sich neu immer wieder neu erfinden müssen. johnny hat das ja mehrfach vorgemacht, mit dem neu erfinden. von einzelblog, zum mehr-autoren-blog, zum einzelblog und wieder zurück zum gelegentlichen rumranten-blog. ich glaube aber nicht das sich das neuerfinden vornehmlich auf die form beschränken sollte, sondern vor allem auf den inhalt. bestes beispiel ist das podcasten das immer nur eine form hat: eine handliche mp3-datei. mit serial hat es sich trotzdem neu erfunden. zu einem revival von blogs kann das selbe helfen: tolle inhalte, spannend erzählte geschichten, ausgedacht, echt, recherchiert, alles zusammen.

    aufwändige einzelspecials wie snow fall beeindrucken mich da wenig. beeindruckender finde ich beispielsweise das alle paar wochen erscheinende geo-epoche: spannend erzählte alte geschichten. immer wieder neu, alle paar wochen, ich verschling sowas wie ein irrer. neuerdings in meiner kindle-app, seit ein paar monaten kann man sich die geo-epochen-hefte auch in verschiedenen digitalen formaten kaufen.

    und das zeigt meiner meinung nach ist die beiden punkte in denen sich das bloggen in der tat neu erfinden muss: grosse geschichten und möglichkeiten sowas zu finanzieren. vorgenommen hab ich mir beides für das nächste jahr. ob das was wird ist ne ganz andere frage.

  12. Was? Ich habe ein iPhone? Wo finde ich das? (Und vor allem: Wie werde ich diese Entrechtungs- und Enteignungswanze in meinem Leben wieder los?)

  13. Spannende Gedanken.

    Schon eine Idee, wo die Reise mit den eigenen verlinkenswerten Artikeln hingehen soll?

  14. @Julian: Auf jeden Fall! Musste auch grinsen als ich das beim raussuchen gesehen hab. Die gute alte B-Allianz! 😉

    @Nasendackel: Vielen Dank! 🙂 Stimmt schon, 140 Zeichen bzw. 256 bzw. ein Facebook-Post sind meist schnell geschrieben. An Blogposts sitzt und feilt (und in deinem Fall zeichnet) man dann doch schon ein ganzes Stückchen länger. Ich glaube aber, dass Blogs in Zukunft auch so einfach befüllt werden können müssen, wie Twitter, Tumblr & Co. Und zu den Kommentaren: Die werde ich jetzt wieder bei allen längeren Geschichten öffnen. Vielleicht bringt’s (da) ja was.

    @ment0r: Stimmt. Und für die (Enkel-)Kinder. Wobei das auch wieder auf einen zurückfällt. 😉

    @Dennis: Danke für deinen Kommentar! 🙂 Mit dem Link-Juice sprichst du nen guten Punkt an: Ich habe oft den Eindruck, dass andere Blogs nicht verlinkt werden, weil man ja bloß nicht seine ach-so-geheimen Quellen offen legen müssten. Denn sonst könnten die Leser ja gleich dort lesen. Nerdcore-René, dessen Quellen eigentlich sein Heiligtum sein müssten, ist das vor Ewigkeiten genau den richtigen Weg gegangen und hat alles offengelegt. Anderen ist derweil selbst ein „via“ zuviel.

    @bullion: Mir geht’s da ähnlich. Ich freue mich über die paar hundert Leser, die hier täglich vorbei schauen, mehr bräuchte ich gar nicht – wenn wir nicht vor dem Aufkommen der besagten Plattformen gesehen hätten, wie’s besser geht. Und zur WordPress-App: Wenn man .com benutzt, funktioniert die sicherlich ganz gut. Aber selbstgehostet, mit Post Formats und ohne Jetpack ist die fast nicht zu gebrauchen…

    @frank: Der Gedanke Medien „durchzuspielen“ gefällt mir echt gut. Ich habe schon länger das Gefühl, dass eines der Probleme von Blogs, aber auch Twitter & Co. ist, dass das Ende der Fahnenstange nie erreicht wird. Dass man nie sagen kann: „Ich war jetzt ein halbes Jahr im Studio, das Album ist fertig, Schluss damit.“

    @Johannes: Guter Einwand. Mir ist auch klar, dass ich hier die Szene der Reise- und Modeblogger, bei denen es ja Dutzende Erfolgsgeschichten gibt, komplett außen vor lasse. Mir geht’s hier nur um’s Bloggen, wie ich das Anfang des Jahrtausends kennengelernt habe. Und das gibt’s so leider nicht mehr.

    @hundundwelt: Niemals! Bis hier Schluss ist werden hoffentlich noch einige Jahrzehnte ins Land ziehen. 😉

    @ix: Klar, das Verlinken ist elementarer Bestandteil des Webloggings. Und was Kottke, John Gruber oder Andy Baio so machen, kommt in der Tat ziemlich nah ran an meine Idealvorstellung eines Blogs. Was ich aber hierzulande glaube zu beobachten, ist, dass oftmals einfach der beste Content diverser (US-)Vorbilder übernommen wird. Was sich gut auf der Facebook-Seite macht, das war’s dann aber auch schon.

    Da würde ich mir eben deutlich mehr wünschen. Ich glaube besagter Andy Baio hat vor Jahren mal den Plan gefasst, neben seinem Linkblog einen Artikel pro Woche zu veröffentlichen, in den er Zeit und Mühe gesteckt hat. Ist zwar leider nichts draus geworden, aber das ist ein gutes Ziel, dass andere und ich vielleicht auch mal angehen sollten. Ich hoffe, du kannst uns dann sagen, wie man das finanziert. 😉

    @Elias: Wenn’s endlich ne gute Blogging-App für’s iPhone gibt, erfährst du es hier. 😉

    @Tim: Gute Frage! Siehe zum einen meine Antwort auf ix‘ Kommentar: Ich möchte regelmäßiger „größeres“ schreiben. Keine Ahnung, was das genau sein wird, aber scheinbar bin ich mir derlei Überlegungen nicht allein. (Weshalb ich dazu nachher mal nen Blogeintrag schreiben werde.)

  15. @stefan: die frage nach der finanzierung kann ich auch nur mit einem zwinkersmiley beantworten. wobei es natürlich schon diverse modelle gibt. sehr publikumswirksame themen-, bzw. sehr vertikale blogs, können das über die schiere anzahl der besucher und werbung machen. sponsoring und teilweise vermischung von inhalt und werbung funktonieren bei vielen bloggern und onlinemedien ja auch schon ganz gut.

    das beliebteste modell in deutschland ist aber, glaube ich, einer bezahlten arbeit nachzugehen und das bloggen querzusubventionieren. das lobo-modell (durchs publizieren, nicht unbedingt auf dem eigenen blog, aufmerksamkeit und kompetenzzuschreibung erregen und das über vorträge zu monetarisieren) funktioniert auch für einige. tatsächlich hat das in den letzten jahren bei mir auch einigermassen funktioniert: durch das bloggen und auf der republica reden konnte ich ausreichend aufmerksamkeit generieren um hin und wieder zu honorierten vorträgen oder artikeln oder kolumnen eingeladen zu werden. und mindestens einmal bin ich jetzt auch für einen verriss einer web-/fernsehserie bezahlt worden. und ich glaube, bzw. hoffe für das nächste jahr einen weg gefunden zu haben, längere, selbstgeschriebene geschichten zumindest ansatzweise zu finanzieren.(auch hier gepostet)

  16. Größeres klingt gut! (Den Blogeintrag haste aber noch nicht geschrieben, oder? Oder übersehe ich denn nur?)