Wer mir bei Twitter folgt wird den Begeisterungssturm neulich mitbekommen haben, als ich mir »Black Mirror«, die neue, im Dezember ausgestrahlte, britische Miniserie von Charlie Brooker, angesehen habe.1 Brooker war u.a. anderem bereits an der Sitcom »Nathan Barley«, dem Zombie-Big-Brother-Mashup »Dead Set« und der Doku »How TV Ruined Your Life« beteiligt – alles Produktionen, von denen man bisher nur gutes gehört hat, von denen ich aber zu meiner Brit-TV-Schande gestehen muss, sie noch nicht gesehen zu haben.2 Nach »Black Mirror« habe ich jedoch vor, das alles schleunigst nachzuholen, denn ich war von der Serie überaus und mehr als angetan und muss sie den Unwissenden unter euch unbedingt empfehlen!
Doch warum eigentlich? Und worum geht’s? In »Black Mirror« geht es um mehr oder weniger nahe gelegene Zukunftsvisionen, die unser heutiges Verhältnis zu Medien und Gadgets auf die Spitze treiben. Brooker selbst spricht von „the dark side of our gadget addiction“ und beschreibt die Serie wie folgt: „Each episode has a different cast, a different setting, even a different reality. But they’re all about the way we live now – and the way we might be living in 10 minutes‘ time if we’re clumsy.“ Das einzige was die drei Episoden eint, ist, dass es um technologische Dystopien geht, ansonsten haben sie nichts miteinander zu tun. Ein Konzept, dass der gestandene Zuschauer bereits aus der »Twilight Zone« kennt. (Und dass man sich von dieser hat inspirieren lassen, offenbart dann sogar die Produktionsfirma im Pressrelease.)
So spielt die erste Episode etwa im England unserer Gegenwart, in dem der Premierminister mitten in der Nacht geweckt wird, da die (fiktive) Kronprinzessin von einer Nacht des Partymachens nicht zurückgekehrt ist und stattdessen ein Erpresservideo auf YouTube eingestellt wurde. Darin verlangen die Entführer vom Premierminister das eigentlich Unmögliche, andernfalls würden sie die zukünftige Queen töten. Und das, was sie dort einfordern, ist so aberwitzig, man müsste die ganze Episode über lachen, wäre die Umsetzung nicht so todernst (und grandios). Für das Staatsoberhaupt beginnt ein medialer Spießrutenlauf, in dem sein Wohl mit der Rettung der Kronprinzessin aufgewogen wird. Mein klarer Favorit, da hier quasi eine Welt entworfen wird, in der Anonymous den Sprung von der Netzguerilla zum Real-Life-Terrorismus vollzogen hat.
Doch auch die anderen beiden Episoden wissen zu überzeugen: Die zweite Episode zeigt uns eine merkwürdige Zukunftsvision, in der Gamification zum Grundpfeiler der Gesellschaft geworden ist: Die Bevölkerung strampelt sich auf Fahrrädern ab, um Punkte zu sammeln, mit denen man Werbeunterbrechungen im Fernsehprogramm überspringen kann. Klar, dass der einzige Ausweg aus diesem Hamsterrad eine Casting Show ist. Nett, aber doch etwas strange, wofür Episode 3 dann aber wieder vollends entschädigt. Denn hier haben die Menschen einen Gedächtnisspeicherchip, der jegliche Erinnerung aufzeichnet, sie wiederholen oder gar auf einem Fernsehgerät anzeigen lässt. Was dann passiert, wenn man Beziehungsprobleme hat, könnt ihr euch sicherlich selbst ausmalen…
Ihr merkt, drei völlig unterschiedliche Folgen, die jedoch alle überaus sehenswert sind. Das sah das UK-Publikum Queen sei dank ähnlich, so dass Hoffnungen auf eine zweite Staffel, obwohl noch nicht angekündigt, nicht ganz unbegründet sein dürften. Die besagten, ersten drei Folgen können als DVD-Box über Amazon geordert werden und Charlie Brooker sollte man spätestens jetzt sowieso ihm Auge behalten.
Update, 13. Juli 2012: Soeben wurde eine zweite Staffel offiziell angekündigt.
- Damit wir hier direkt alles zusammen haben: Der Mann twittert auch. [↩]
- Ich muss sogar gestehen, dass ich bei britischen Serien jenseits der »IT Crowd« ein großes Defizit habe. Ich gelobe Besserung und wollte mich demnächst sogar mal an »Dr. Who« herantrauen. Weitere Empfehlungen gerne in die Kommentare! [↩]